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Weitere Beispiele

 

📌 Frage: 

Ich bin Lehrperson von Jugendlichen und habe den Verdacht, dass eine meiner Schülerinnen an Magersucht leidet.

Ich weiss nicht ob und wie ich sie darauf ansprechen soll.

Was raten Sie mir?

🔦  Experten-Antwort:

Danke für Ihre Anfrage. Sie möchten gerne wissen, ob man bei einem Verdacht auf eine Essstörung die Person direkt darauf ansprechen soll und was dabei beachtet werden soll.

 

Bitte beachten Sie, dass Jugendliche mit Essstörungen diese meist verharmlosen oder abstreiten, denn diese Tätigkeit ist mit Scham besetzt. Deshalb ist es hilfreich, sich zuerst über das Ziel des Gesprächs Gedanken zu machen. Was soll das Gespräch der Schülerin «bringen» und warum möchten Sie das Gespräch führen? Grundsätzlich ist es hilfreich Jugendliche mit ihrem Verhalten zu konfrontieren und diese dabei spüren, dass Sie als Lehrperson sich Sorgen machen.

 

🔎   Konkret:

Versuchen Sie für das Gespräch ein Setting zu finden, bei dem es möglich ist, für ein paar Minuten ungestört reden zu können. Äussern Sie Ihre Befürchtungen, dass sich die junge Frau – aus welchen Gründen auch immer – körperlich schaden könnte. Bieten Sie ihr an, in der kommenden Woche das Gespräch weiterzuführen, allenfalls mit einer Vertrauensperson (z.B. Schulpsychologe/in).

 

Sichern Sie der jugendlichen Person Vertraulichkeit zu und verzichten Sie darauf die Handlung zu bewerten. Jugendliche mit Essstörungen haben oft mit grossen persönlichen Schwierigkeiten zu kämpfen. Jede weitere Schwierigkeit (Gruppendruck, Leistungsdruck etc.) erhöht das Risiko in die Abhängigkeit abzugleiten.

 

Weiterführende Informationen dazu entnehmen Sie aus dem KrisenKompass® - PLUS zum Thema "Essstörungen".

 

📌 Frage:

Marco,12j, ein etwas frühreifer Jugendlicher in unserer Klasse, hat sich am letzten Wochenende das Leben nehmen wollen. Nun liegt er im Spital und kommt wohl nächste Woche wieder in die Klasse zurück. Worauf sollte ich dabei achten? 

🔦  Experten-Antwort:

Diese Rückkehr nach einem Suizidversuch in die gewohnte Umgebung muss in der Tat gut durchdacht werden und die Betroffenheit der anderen Schüler spielt dabei eine wesentliche Rolle.

 

🔎   Konkret:

Konfrontieren Sie die ganze Klasse in einem geeigneten Gesprächsmoment mit der bevorstehenden Rückkehr. Dabei geht es nicht darum festzustellen, wie weit andere Schülerinnen und Schüler vom Suizidversuch gewusst und allenfalls Einfluss genommen haben.

Es geht darum, die Tat weder zu verharmlosen noch als mutige Handlung zu qualifizieren. Weiterführende Informationen dazu entnehmen Sie aus dem KrisenKompass® - PLUS zum Thema Suizidalität: Risikofaktoren in der Schule / Peergroup.

 

Nutzen Sie die Situation, um mit den vorherrschenden Mythen zum Thema Suizid auszuräumen und auf die gefährliche Sogwirkung der einschlägigen Internetforen hinzuweisen. Wenn allen Schülerinnen und Schüler klar ist, dass die meisten Menschen ihre Suizidabsichten vorher ankündigen und damit Signale aussenden, man möge ihre unerträgliche Lebenssituation ernst nehmen, dann wird ein Suizidversuch als Hilferuf verstanden, der auch darauf hinweist, dass bisher keine Alternative zur Verbesserung gefunden werden konnte.

 

Gleichzeitig muss verstanden werden, dass die meisten Suizidabsichten aus einer momentanen Krise heraus entstehen und wieder verschwinden, wenn diese Krise überwunden werden kann. Danach ist zwar die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass Marco später erneut diesen Weg wählt, dennoch ist die Chance gross, dass er erfolgreich darüber hinweg kommt. Umso wichtiger ist, seine Rückkehr weder "gross" zu zelebrieren, noch zu bagatellisieren. Es reicht, Marco zu signalisieren, wie froh Sie alle sind, dass er noch lebt und dass Sie immer wieder Gesprächsbereitschaft zeigen. Zudem ist wichtig, dass die Schule auch eine trauerfreie Zone sein kann.

Bitte beachten Sie zusätzlich im KrisenKompass® PLUS das Thema "Eigene Betroffenheit".

 

Noch ein Hinweis:

Allenfalls ist der Vorfall auch Grund, die Atmosphäre in Ihrer Klasse und im Schulhaus zu überprüfen und Energie in Richtung Teambildung zu investieren. Falls Marco unter der dort herrschenden Gruppendynamik gelitten hat, wäre es nun an der Zeit, dies anzugehen. Bitte beachten Sie  ev. zusätzlich im KrisenKompass® PLUS das Thema "Mobbing".

 

 

Eine Lernende stürzte heute nach einer Stunde Verspätung auf mich zu und sagte, sie konnte nicht früher kommen. Sie habe grosse Schwierigkeiten mit ihrem jugendlichen Freund gehabt. Bevor ich reagieren konnte, bemerkte ich dunkelblaue Würgemale an ihrem Hals und an ihrem Arm. Nun bin ich verunsichert, ob ich Anzeige erstatten soll?

Experten-Antwort:

Schön, dass Sie sich um das Wohl Ihrer Lernenden kümmern. Offenbar hat sie häusliche Gewalt erlebt. Wichtig ist nun, dass Sie in Ihrer Rolle als Berufsbildnerin bleiben. 

 

Konfrontieren Sie die junge Frau in einem ruhigen Moment mit Ihrer Beobachtung und signalisieren Sie einerseits Ihre Betroffenheit und andererseits die Möglichkeit einer Straftat. Vermeiden Sie dabei in der Rolle der Detektivin möglichst viele Details zu erfahren. (vgl. auch im KrisenKompass® PLUS dieThemen "Häusliche Gewalt bei Kindern / Jugendlichen oder auch Verdacht auf  häusliche Gewalt bei Mitarbeitenden".) 

 

Bleiben Sie in der Rolle der Berufsbildnerin, welche sich vertrauenswürdig, verschwiegen und emphatisch um das Wohl dieser Lernenden kümmert. Versuchen Sie ihr Hilfsmöglichkeiten anzubieten (z.B. Frauenhaus, Opferstelle) und bieten Sie an, allenfalls in Zusammenarbeit mit den Erziehungsberechtigten den Kontakt herzustellen.

  

Eine Anzeige ohne Einwilligung der Lernenden würde ich unterlassen, damit die offensichtlich vertrauensvolle Beziehung nicht gefährdet wird. Ermutigen Sie die Lernende, diesen Schritt selber zu machen und Sie dabei allenfalls zu unterstützen. Stellen Sie klar, dass eine Körperverletzung kein «Kavaliersdelikt» ist. 

 

Samira,16j., ist sehr bemüht, alle Aufgaben perfekt zu erledigen. Allfällige Unstimmigkeiten oder gar Fehler, bezieht sie auffallend oft auf ihr Verhalten. Es fällt zunehmend auf, dass die anfangs perfekt sitzende Kleidung, zu weit wird. Zudem fehlt Samira jeweils nach der Pause und dem gemeinsamen Mittagessen für ein paar Minuten. Von Mitschülerinnen erfahre ich als Lehrperson gestern, dass sich Samira seit einiger Zeit selber Schnitte an den Armen zufügt. Wie soll ich Samira darauf ansprechen?

 

Danke für Ihre berechtige Sorge, die Sie sich um Samira machen. Es ist nun wichtig, die Selbstverletzung nicht ins Zentrum Ihrer Beziehung zu setzen und die gesunden Anteile der jungen Frau im Fokus zu behalten.

Folgendes Vorgehen könnte helfen:

Sie konfrontieren Samira in einem vertraulichen Erstgespräch mit Ihren Beobachtungen – nicht aber mit dem Gerücht der anderen Mädchen!

Sie äussern ehrlich Ihre Betroffenheit (in Ich-Form) und Ihre Sorge um das Wohlergehen von Samira und betonen gleichzeitig, dass Sie mit ihrer Leistung zufrieden sind. Samira nimmt Stellung, streitet allenfalls ab, verharmlost.

Sie  äussern Ihre Befürchtung, dass sich Samira körperlich schadet und signalisieren Gesprächsbereitschaft. 

(vgl. auch im KrisenKompass® online das Thema "Selbstverletzung".)

 

Bieten Sie Samira an, in der kommenden Woche das Gespräch weiter zu führen – allenfalls mit einer Vertrauensperson (Schulpsychologin, Sozialdienst) oder delegiert an diese Person.  Versichern Sie Samira Vertraulichkeit zu und bedanken Sie sich für die tolle Leistung. In der Folgewoche wird das gemeinsame Gespräch wieder aufgenommen und das weitere Vorgehen geklärt. Ziel dabei ist dann, die Schul- und Lebenssituation zu beleuchten und allenfalls Veränderungspotential zu identifizieren. Dazu erstellen Sie eine Kurzdokumentation zuhanden der Schulleitung.

 

Anmerkung:

Angenommen Samira signalisiert den Wunsch nach Hilfe, wird diese Thematik bereits im Erstgespräch aufgenommen. Dann geht es bereits um die Lösungsfindung. Denn Jugendliche mit Selbstverletzung haben oft mit grossen persönlichen Schwierigkeiten zu kämpfen. Jede weitere Schwierigkeit erhöht das Risiko, in die Abhängigkeit abzugleiten. Deshalb sollte nach Möglichkeit gemeinsam mit der Schule die Fortsetzung und den Abschluss der Grundbildung angestrebt werden.


 

Der Vater eines Schülers hat sich vor sechs Wochen das Leben genommen. Peter (7j.) war bisher als fröhlicher Junge bekannt. Nun zieht er sich immer mehr zurück und seine Leistungen in der Schule haben sichtbar nachgelassen. Wie soll ich reagieren? 

Danke für Ihre Anfrage. Obwohl der Todesfall bereits sechs Wochen zurückliegt, zeigt Peter offenbar erst seit kurzem dieses Verhalten. Umso wichtiger ist Ihre berechtigte Sorge.

Der Verlust des Vaters durch Suizid ist ein allenfalls traumatisierendes Ereignis für Peter. Meist werden letzte Äusserungen und Handlungen als Erklärungsversuch für die Selbsttötung in der Erinnerung bewertet. Dabei werden Rückschaufehler gemacht und effektive Ursachen können kaum erkannt werden. Fast immer entstehen dabei eigene Schuldgefühle.

 

Peter braucht Sicherheit, Verständnis und die Möglichkeit hin und wieder trauerfreie Zeiten und Zonen zu erleben. Klären Sie darum mit sich selbst, warum Sie erst jetzt das Gespräch suchen. Signalisieren Sie dafür in einem ruhigen Moment, dass Ihnen sein Wohlergehen wichtig ist. Fragen Sie nach, wie er den Alltag ohne Vater mit Rechten und Pflichten in der Schule und in der Familie erlebt.

 

Bieten Sie ihm neben weiterer Gesprächsbereitschaft allenfalls externe Hilfe (z.B. Schulpsychologe/in, Nachhilfe etc.) an.

Weiterführende Informationen dazu entnehmen Sie aus dem KrisenKompass® online zum Thema "Tod eines Angehörigen".